Mercedes-Benz will mit dem neuen CLA-Modell den schwächelnden Absatz im Bereich der Elektroautos deutlich ankurbeln. Seit Mai 2024 ist das Fahrzeug auf dem Markt erhältlich und wird im baden-württembergischen Werk Rastatt produziert. Der CLA markiert einen strategischen Wendepunkt für den Hersteller: Er soll zeigen, dass Mercedes sowohl technologisch als auch wirtschaftlich in der Oberklasse konkurrenzfähig bleiben kann. Die Erwartungen sind entsprechend hoch – nicht nur im Konzern selbst, sondern auch bei Beobachtern und Aktionären.
Inhaltsverzeichnis:
- Källenius besucht Werk Rastatt
- Stefan Bratzel lobt Reichweite
- Kritik an der Preisstrategie
- Wachsende Konkurrenz aus China
- Risiko für Arbeitsplätze
Källenius besucht Werk Rastatt
Am Mittwoch besuchten Vorstandsvorsitzender Ola Källenius und Ministerpräsident Winfried Kretschmann das Werk in Rastatt, in dem der neue CLA produziert wird. Dort arbeiten derzeit rund 6.000 Menschen, die neben dem CLA auch die A- und B-Klasse, das SUV GLA sowie das Elektrofahrzeug EQA montieren. Das Werk gilt als eines der wichtigsten in der Kompaktklasse-Strategie von Mercedes-Benz.
Die Produktionszahlen in Rastatt sind in den vergangenen Jahren jedoch deutlich zurückgegangen. Während 2019 noch rund 340.000 Fahrzeuge dort gefertigt wurden, liegt die Zahl 2024 laut Daten des Marktforschungsinstituts Inovev bei nur noch etwa 200.000. Mit dem angekündigten Produktionsstopp der A-Klasse könnte diese Zahl noch weiter sinken. Der neue CLA soll diesen Rückgang auffangen und gleichzeitig das Werk langfristig sichern.
Stefan Bratzel lobt Reichweite
Das neue CLA-Modell ist für Mercedes ein technologisches Aushängeschild. Die vollelektrische Version soll eine Reichweite von bis zu 792 Kilometern bieten und dabei besonders effizient im Stromverbrauch sein. Das Fahrzeug ist zudem das erste Modell, das mit dem neu entwickelten Betriebssystem MB.OS ausgestattet ist. Dieses System wurde intern bei Mercedes-Benz entwickelt und soll eine einheitliche Softwarearchitektur über alle künftigen Modelle hinweg ermöglichen.
Auch Autoexperte Stefan Bratzel, Direktor des Centers of Automotive Management in Bergisch Gladbach, bezeichnet den CLA als hoch innovativ. Er hebt besonders die Reichweite, den geringen Energieverbrauch und das Betriebssystem hervor. Källenius selbst lobte die Ingenieurinnen und Ingenieure des Konzerns auf der Hauptversammlung als treibende Kraft hinter dem neuen Modell. Er berichtete, dass er mit dem CLA ohne weiteres seine Familie in Skandinavien besuchen könne – mit nur einem Ladestopp. Das Fahrzeug soll den Auftakt für eine neue Generation von Elektroautos bei Mercedes bilden.
Kritik an der Preisstrategie
Mit einem Einstiegspreis von 55.858 Euro ist der CLA deutlich teurer als seine Vorgängermodelle. Die günstigste A-Klasse war bislang ab etwa 37.000 Euro erhältlich, das Plug-in-Hybridmodell A 250e ab rund 44.300 Euro. Im Vergleich dazu kosten Modelle der Konkurrenz weniger: Ein Audi A3 mit Benzinmotor beginnt bei rund 31.300 Euro, ein BMW 1er bei etwa 32.900 Euro.
Bratzel weist darauf hin, dass dieser Preis viele Käufergruppen ausschließt. Die neue Preisstrategie basiert auf dem Prinzip „Klasse statt Masse“. Der CLA soll die Einstiegsmodelle A- und B-Klasse ersetzen, allerdings in einem deutlich höheren Preissegment. Ein interner Mercedes-Mitarbeiter äußerte gegenüber dem „Handelsblatt“ Zweifel daran, ob ein solches Fahrzeug im Nischenmarkt genügt, um die hohen Fixkosten für Software- und Batterieentwicklung aufzufangen. Besonders in Zeiten zunehmender Konkurrenz könne dies problematisch werden.
Wachsende Konkurrenz aus China
Der chinesische Markt, lange Zeit ein Wachstumsanker für Mercedes-Benz, wird zunehmend zur Herausforderung. Die Konkurrenz durch chinesische Hersteller wächst, und deren Fahrzeuge sind oft deutlich günstiger. Viele dieser Unternehmen bieten inzwischen ebenfalls Premium-Modelle an, die sich durch niedrige Preise vom Angebot deutscher Hersteller absetzen. Dies hat direkte Folgen: Im Jahr 2024 machten vollelektrische Fahrzeuge weniger als zehn Prozent der Mercedes-Verkäufe weltweit aus. Besonders in China bleiben die Verkaufszahlen deutlich hinter den Erwartungen zurück.
In diesem Marktumfeld wird auch die Luxusstrategie von Ola Källenius kritisch hinterfragt. In Zeiten knapper Versorgung ließ sich mit teuren Fahrzeugen hohe Marge erzielen. Doch angesichts wachsender Verfügbarkeit und preisaggressiver Konkurrenz droht dieses Modell an seine Grenzen zu stoßen. Mercedes steht damit unter Druck, mit hochwertigen, aber teuren Fahrzeugen wie dem CLA neue Kundengruppen zu überzeugen – ohne die bisherigen zu verlieren.
Risiko für Arbeitsplätze
Die Zukunft des Werks in Rastatt hängt maßgeblich vom Markterfolg des neuen CLA ab. Sollte das Modell die Erwartungen nicht erfüllen, drohen langfristig Einschnitte bei der Produktion und damit auch bei den Arbeitsplätzen. Bereits jetzt ist die Auslastung rückläufig, der Wegfall der A-Klasse könnte diesen Trend beschleunigen. Bratzel macht deutlich, dass der CLA ein entscheidender Testfall ist – nicht nur für die neue Fahrzeugarchitektur, sondern auch für das Geschäftsmodell von Mercedes.
Scheitert der CLA, steht nicht nur die Beschäftigung von Tausenden Menschen im Werk Rastatt auf dem Spiel. Auch die strategische Ausrichtung des Konzerns insgesamt – und möglicherweise die Position von Källenius selbst – geraten dann ins Wanken. Der Erfolg des neuen CLA wird somit zu einem Prüfstein für die gesamte Marke Mercedes-Benz.
Quelle: SWR